Zur Person:

Martina Brandl ist Kabarettistin, Musikerin und Schriftstellerin. Mit ihren Solo-Programm tourt sie seit 1997 durch Deutschland, Österreich und die Schweiz, ist bekannt aus TV-Sendungen wie "Ladies Night". Sie schreibt regelmäßig für die Frankfurter Rundschau und ist Kolumnistin bei "Das Magazin". Von ihren drei Romanen, wurden »Halbnackte Bauarbeiter« und »Glatte runde Dinger« zu Bestsellern. Aktuell ist sie auf Tour mit ihrem zehnten Solo-Programm »brand(L)neu«.

 

Selbstauskunft

Die Kunst wurde mir nicht in die Wiege gelegt. Als letztes von vier Kindern (O-Ton meiner Mutter: "ab drei wird's asozial") wurde ich am Fuße der Schwäbischen Alb in eine wunderschöne Sozialbauwohnung geboren. Das Sofa mussten wir hinterher wegschmeißen. Mein Vater machte eine steile Karriere vom Bauern zum Bergarbeiter und schließlich Besteckschleifer bei WMF. Meine Mutter ging Putzen und hängte mir einen goldfarbenen BKS-Schlüssel um den Hals. Wir fuhren ausschließlich gebrauchte Opel Kadetts in den Farbvarianten graublau und aldiblau und in den Urlaub jedes Jahr zu den Verwandten in den Bayrischen Wald. Trotzdem haben sie allen ihren Kindern eine höhere Schulbildung ermöglicht. Und ich habe nichts draus gemacht.

TDW

in “My Fair Lady”
im Theater des Westens, Berlin

Nach dem Abitur ging ich nach Berlin und tat, was man in Berlin in den späten Achtzigern machte: ich hing rum. In Kreuzberg nahm ich Stepptanz-Unterricht bei einem Jongleur, mit dem ich wenig später Straßentheater machte. Wenn der Abend kam und wir von den Nutten auf dem Ku-Damm vertrieben wurden, gingen wir in die Scheinbar, wo wir uns zusammen mit anderen Newcomern wie Kurt Krömer, Meret Becker, Eckart von Hirschhausen und Mario Barth in der Open Stage ausprobierten.

Um einen ordentlichen Beruf vorweisen zu können absolvierte ich eine Ausbildung zur Wirtschaftskorrespondentin und tanzte mit meinen Mitschülerinnen 1989 auf der Berliner Mauer. Danach sammelte ich brav Berufserfahrung. Tagsüber. Abends bespaßte ich im Recreation Center der Andrews Barracks die Truppen der US Army. Ich spielte in "Baby", "Standing Room Only", lernte Vaudeville, Disziplin und wie man einen deutschen Akzent in einen puertoricanischen verwandelt, wenn man eine Hauptrolle in "A Chorus Line" ergattern will. Mit diesem Rüstzeug sprach ich am Theater des Westens vor, wo ich für eine Mini-Rolle in der Kurt Weill Oper "Street Scene" einen Südstaatenakzent antrainiert bekam. Vier Jahre lang blieb ich im damals renommiertesten Musical-Theater Deutschlands, schaute mir viel ab, lernte bei den Besten und tanzte und sang in "My Fair Lady".

Parallel dazu entdeckte ich die andere Seite der Stadt und wiedervereinigte mich mit dem Ostberliner Sänger und Komiker Mario Eckart. Unsere Show hieß "Cabaret Kebap - heiße Hits und kalter Döner serviert von Bodo und Inge". Ich war Inge und lebte nach dem Motto: "There's no Business like Imbissness". Jede Woche spielten wir im Jazz Club Schlot, und ich lernte den Pianisten Martin Rosengarten kennen, mit dem ich wenig später mein erstes Solo-Programm "Safer Singen - oder weshalb ich mich von Bernd getrennt habe" aufführte.

Inge

als Inge in
“Cabaret Kebap”

Schon mit dem zweiten Programm "Kommen müssen Sie selbst!" nahm uns die Agentur Rampensau (Désirée Nick, Horst Ewers, Thomas Pigor etc.) unter Vertrag und schickte uns auf Tournee durch ganz Deutschland. Es folgte eine eigene TV-Sendung im WDR (Crème Frech), verschiedene Preise (St. Ingberter Pfanne, Prix Pantheon, Kritikerpreis der Berliner Zeitung, Tuttlinger Krähe u.a.) und Rudi Carell rief bei mir zuhause an. "7 Tage - 7 Köpfe" (RTL) war eine Errungenschaft, aber Hanns Dieter Hüsch in "Hüsch & Co" (SR) zu begegnen und von ihm explizit für ein ernstes Lied gelobt zu werden, war eine Ehre. Denn zwischen Kalauer und Kabarett erlaubte ich mir auch ruhige Momente und nur so fürs Herz und mit der Kohle vom Fernsehen auch mal ein komplettes Chansonprogramm mit Kammerensemble ("Der Weg nach Haus").

Immer wieder machte ich Ausflüge: nach dem dritten Programm "Nur keine Angst!" schrieb ich das Buch zur "Show Deines Lebens", einer Cross-Over-Musical-Kabarett-Variété-Produktion für das Variété Chamäleon in den Hackeschen Höfen in Berlin, das dort sagenhafte viereinhalb Monate en suite mit mir als Moderatorin gespielt wurde. Ich gründete meine eigene Salon-Bühne, den "Sonntagsbrandl", eine wöchentliche Mix-Show mit Comedy, Musik und Lesung, die ich fünf Jahre lang moderierte. Nachdem ich dem Publikum das waghalsige Versprechen gegeben hatte, jede Woche eine neue Kurzgeschichte auf die Bühne zu bringen, bekam ich Übung im Schreiben und versuchte mich an meinem ersten Roman. "Halbnackte Bauarbeiter" wurde ein Bestseller und stand insgesamt 22 Wochen auf der Spiegel-Bestseller-Liste, zeitweise auf Platz 4.

Nun musste eine richtige Herausforderung her. Ich zog zurück in meine Heimatstadt und wechselte die Agentur. Nach zwei weiteren Romanen - "Glatte runde Dinger" und "Schwarze Orangen" -, in dem ich das Leben in der Provinz versafte, stellte ich mich im neuen Bühnenprogramm den drei wichtigsten Fragen: Was trinkt man? Wieviel? Und wem gibt man hinterher die Schuld? Zwei Jahre lang war ich mit "Jedes 10. Getränk gratis - ein Selbstversuch" unterwegs und bin nie verdurstet. Dann folgte "Irgendwas mit Sex.", mit dem ich drei Jahre lang in mehr als 200 Theatern im deutschsprachigen Raum auf Tournee war.

zu Gast bei "Tietjen und Hirschhausen"

zu Gast bei
“Tietjen und Hirschhausen”

Folgerichtig hieß mein neues Baby "Schon wieder was mit Sex". Wieder betrat ich Neuland. Zum ersten Mal in meiner Karriere begleitete ich mich auf der Bühne selbst, lernte Ukulele und Thelevi spielen. Sich immer wieder neu zu erfinden: das ist die Herausforderung aber auch das Spannende an meinem Beruf. Ein neuer Roman ist auch in Arbeit, aber das ist natürlich noch geheim. Wer weiß, was als Nächstes kommt? Ne Pudel-Dressurnummer? Ein Death-Metal-Ballett? Möglich ist alles. Mittlerweile bekomme ich viele Anfragen von jungen Künstlern, die nach Noten meiner Songs fragen. Und Letztens habe ich zufällig im Radio gehört, wie Tim Fischer mein allererstes Lied, das ich geschrieben habe, singt. Er hat mich damals gefragt, ob er es auf CD aufnehmen kann und singt es heute noch in seinem Lieblingslieder-Programm. Irgendetwas bleibt vielleicht doch. Und es kommt Neues hinzu: Martin Rosengarten und ich haben uns in der Pandemie wiedervereint, den Podcast „Drückste mal record?“ gegründet und mit „brand(L)neu“ auf Tour gegangen. Seit 2023 schreibe ich regelmäßig für die „Frankfurter Rundschau“ und bin Kolumnistin bei „Das Magazin“. Ach ja, und: einen Pudel haben wir jetzt auch.

Martina Brandl